Entdeckung der Landschaft

Die Entdeckung der heimischen Landschaft und die Emanzipierung dieses Themas mit eigener Ausbildung an den Akademien ist eine europäische Erscheinung, die in der Romantik ihren Lauf nimmt. Die südliche, mediterrane Landschaft der klassischen Antike, die als Kulisse für historische Themen dient, verliert an Bedeutung. Für die jungen Nationalstaaten Europas hat die heimische Landschaftsmalerei eine identitätsstiftende Wirkung.

Die Malerkolonien in Hilversum im Gooiland und in Oosterbeek bei Arnhem sind erste Zeugnisse für ein tiefes Interesse an einer unmittelbaren Begegnung der Künstler mit der Natur vor Ort. Die Beschäftigung mit der regionalen Landschaft und ihrer Bevölkerung machen Kleve und seine Umgebung zu einem beliebten Motiv, auch wenn sich hier keine eigene Malerkolonie etabliert. Die Malerfreunde treffen sich zum Zeichnen im Rathaus, aber auch in der Landschaft: Beliebte Orte sind Sternberg, Montebello, Klever Berg, Bresserberg, die Gastwirtschaft Adolfslust oberhalb von Kleve wird zum Malertreffpunkt.

NIcht weit von Kleve, etabliert sich die Landschaftsmalerei an der Düsseldorfer Akademie mit Johann Wilhelm Schirmer und Karl Friedrich Lessing. Als Hauptunterschiede zwischen deutscher und niederländischer Schule nennt Koekkoek eine wärmere Farbstimmung (Kolorit) mit weichen Übergängen gegenüber harten, linienhaften Übergängen der Düsseldorfer Maler mit einem kälteren Kolorit. „Der holländische Naturfreund wählt stets die Morgenstunde oder eine fortgeschrittene Mittagsstunde für seine Studien. Ich habe deutsche Maler gesehen, die von morgens um 9 bis mittags um 12 ununterbrochen vor ihrer Staffelei sitzen konnten. Sie sind an ihr Kolorit schon gewohnt, kein Wunder, dass unser Kolorit ihnen braun und nebelig im Ton vorkommt.“ (Herinneringen en Mededeelingen van eenen Landschapschilder, 1841)

Mit der Entdeckung der Fotografie, der Entwicklung von industriell hergestellten Farbtuben, dem Aufkommen alternatives Salonausstellungen erlebt die Landschaftsmalerei Mitte des 19. Jahrhundert eine Revolution. Der Blick auf die Natur verändert sich. Farbtuben machen das Malen im Freien möglich, zufällig erscheinende Landschaftsausschnitte werden bildwürdig, durchkomponierte Landschaften wie die der Koekkoek-Schule sind nicht mehr gewünscht. In Frankreich entsteht der Impressionismus, der in ganz Europa seinen Siegeszug hält. In der Malerkolonie Oosterbeek bei Arnhem treffen sich die Maler in freier Natur. Es folgt die niederländische Ausprägung des Impressionismus in der sogenannten Haager Schule. Einige Namen der Kunstjünger aus Kleve finden sich mit ihrem späteren Werk dort wieder.

Koekkoeks Stern, der Stern der Klever Romantik, sinkt nach seinem Tod 1862. In Kleve verbleiben ansässig als einzige Johann Bernhard Klombeck, sein Meisterschüler, und Anna van Sandick, die bis zur Jahrhundertwende dem Stil des Klever Malerfürsten treu bleiben.

Die wichtigsten Hinweise für den Landschaftsmaler hat B.C. Koekkoek in seinem schriftlichen Vermächtnis (Herinneringen en Mededeelingen van eenen Landschapschilder, 1841 festgehalten:

  1. Der Landschaftsmaler soll sich mit der heimatlichen Landschaft mit entsprechend volknsaher, regionaler Figurenstaffage beschäftigen
  2. Die Natur ist die einzig wahre Lehrmeisterin Eigene Anschauung ist wichtiger als das akademische Kopieren nach Vorbildern
  3. Der Landschaftsmaler soll sein eigenes Talent formen und einen eigenen Stil entwickeln
  4. Er soll die Natur mit seiner Komposition vervollkommnen, „bevallige leugen“ (gefällige Lügen) schaffen
  5. Um einer Landschaft eine natürliche Stimmung zu geben, ist eine reiche Farbpalette mit nuancierten Übergängen wichtig